RIP: Theo Jörgensmann

Theo JörgensmannTheo JörgensmannAuf der Klarinette war Theo Jörgensmann Autodidakt. Am 29. September 1948 in Bottrop im Ruhrgebiet geboren, hatte er eine Weile lang Ende der 1960er Unterricht bei einem Dozenten der Folkwang Hochschule Essen. Bevor er 1975 Berufsmusiker wurde, hatte er sein Fach-Abitur gemacht und ein Studium der Sozialpädagogik begonnen. Er sei im Ruhrgebiet der erste Profi-Jazzmusiker gewesen, betonte er oftmals. Dem Zeitgeist geschuldet, war er damals in Jazz-Rock- und Fusion-Bands zu hören – zumeist auf der elektrisch verstärkten Klarinette inklusive Effektgeräten. Doch der Jazz hatte in der Zeit ein Problem im Pott: Es gab keine tragbare Infrastruktur und auch keine richtige Szene. „Der erste Club in Dortmund, das Domicil, hatte Ende der 1960er aufgemacht“, erinnerte er sich. „Dann gab es für vielleicht drei Jahre einen Club in Essen. Aber wenn man spielen wollte, musste man raus aus dem Ruhrgebiet.“

Die 1980er-Jahre waren sein Jahrzehnt. In der Zeit legte Jörgensmann den Grundstein für seinen Ruf als Klarinettist von internationalem Rang. Zudem öffnete er sich einer tonal freien Musik und trug maßgeblich zur Renaissance seines Instruments bei, das lange Zeit ein Schattendasein im Jazz und der improvisierten Musik geführt hatte. Er begann, interdisziplinär zu arbeiten, und kooperierte mit Dichter/-innen und Schriftsteller/-innen, mit Schauspieler/innen, bildenden Künstler/-innen und Filmemacher/innen. Geradezu legendär war das Klarinettenquartett CL-4, das er 1985 unter anderem mit Lajos Dudas gegründet hatte. Mit dem Bassklarinettisten Eckard Koltermann gehörte er ab 1983 dem Grubenklangorchester um den Pianisten Georg Graewe an, bis 1998 war er Klarinettist in der Contraband des holländischen Posaunisten Willem van Manen.

Zwischen 1982 und 1992 hatte er noch ein anderes berufliches Standbein. Zehn Jahre lang konzipierte und moderierte er für den WDR-Jazzredakteur Manfred Niehaus Sendungen im Westdeutschen Rundfunk. In dieser Funktion entwickelte er seine Philosophie der improvisierten Musik, die er 1991 in einem lesenswerten Büchlein zusammenfasste: „Kleine Ethik der Improvisation“. „Der improvisierten Musik gehört die Zukunft“, war Jörgensmann zeitlebens überzeugt. „Im Moment sind vielleicht Musiken wichtiger, die hierarchisch strukturiert sind – klassische Musik zum Beispiel, in der es Komponist/-innen, Dirigent/-innen und Interpret/-innen gibt. In der improvisierten Musik bin ich aber all das in Personalunion.“

1997 verließ Jörgensmann das Ruhrgebiet und zog nach Brüel in Mecklenburg-Vorpommern. Als Klarinettist blieb er aktiv und trat oft im nicht weit entfernten Polen auf. Mit dem Kölner Violinisten Albrecht Mauer war er 2015 aber auch Initiator des „Clarinet Summit“, unter anderem mit seinen Instrumentalkollegen Perry Robinson und Gianluigi Trovesi. Mit Maurer spielte er auch eine fein ziselierte Kammermusik an der Schnittstelle von Komposition und Improvisation. Obwohl er längst nicht mehr im Ruhrgebiet gelebt hatte, wurde er 2018 mit dem „Jazz Pott Essen“ ausgezeichnet. „Dass ich den Preis bekomme, darüber habe ich mich sehr gefreut“, so der Klarinettist vor sieben Jahren, „weil ich mit einigen im Ruhrgebiet versucht hatte, eine Szene aufzubauen. Dafür habe ich mich in den 1970ern und ’80ern stark gemacht.“ Am 6. Oktober ist Theodor Franz Jörgensmann wenige Tage nach seinem 77. Geburtstag überraschend gestorben.

Text
Martin Laurentius
Foto
Herbert Weisrock

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