RIP: Wolfgang Dauner

Wolfgang DaunerWolfgang Dauner Nein, in den 1960er-Jahren war Wolfgang Dauner kein bilderstürmender Revoluzzer – so wie etwa Alexander von Schlippenbach oder Peter Brötzmann. Der Pianist, am 30. Dezember 1935 in Stuttgart geboren, bekannte sich zur Grenzenlosigkeit des künstlerischen Ausdrucks. Er stellte sich in die Tradition des amerikanischen Jazz, öffnete sich aber auch den damals neuen Gestaltungsmöglichkeiten der frei improvisierten Musik und liebte es, klassisch-romantisches in den Jazz einzubinden. Aller Kunstfertigkeit zum Trotz waren die Konzerte des Wolfgang Dauner Trios oftmals auch Performances, bei denen beispielsweise der in Stuttgart lebende Afroamerikaner Fred Braceful nackt am Schlagzeug saß oder ein Flügel in Brand gesetzt wurde.

Mit der Band Et Cetera erarbeitete sich Dauner ab 1971 die Rockmusik und baute im Studio und auf der Bühne elektronische Tasteninstrumente um sich herum auf. Gleichzeitig leitete er 15 Jahre die Radio Jazz Group Stuttgart, war Pianist der German All Stars und komponierte für das deutsche Fernsehen. Zudem schrieb er klassisch inspirierte Werke – beispielsweise die Jazzoper „Der Urschrei“. All das brachte Dauner dazu, 1975 das United Jazz + Rock Ensemble mitzugründen, mit dem er erfolgreich in Konzertsälen und auf europäischen Festivalbühnen zu erleben war – zusammen unter anderem mit Albert Mangelsdorff, Charlie Mariano oder Volker Kriegel. Unter den europäischen Jazzmusikern galt er jedenfalls als Stil-Eklektiker. 2003 wurde er mit der „German Jazz Trophy“ ausgezeichnet, 2016 bekam er den Sonderpreis des „Jazzpreises Baden-Württemberg“.

„Ich hasse es, theoretische Strukturen zu erklären – oder was mit Musik gemeint ist! Du musst einfach das Publikum erreichen, emotional. Es sei denn, du machst was ganz Banales. Das ist allerdings auch eine relativ späte Erkenntnis, nachdem wir früher alles so gemacht haben, als würde uns das Publikum nicht interessieren. Klavier anzünden und so. Heute möchte ich auch bei allem ausgefallenen Zeug, das ich so mache, eine Brücke bauen“, erzählte Dauner 2014 unserem Autor Götz Bühler für unsere Artikelreihe „European Jazz Legends“. Anderthalb Jahre später wurde der Pianist und Komponist mit dem Sonderpreis des Jazzpreises Baden-Württemberg für sein Lebenswerk ausgezeichnet: „Wolfgang Dauner prägt seit Jahrzehnten die baden-württembergische Jazz-Landschaft, er genießt internationale Reputation“, so der damalige Kunststaatssekretär Baden-Württembergs, Klaus Walter. „Seine Werke waren immer offen für aktuelle Strömungen und Einflüsse eines breiten Spektrums von Klassik bis Rock – damit hat Wolfgang Dauner den Jazz erweitert.“ Keine zwei Wochen nach seinem 84. Geburtstag ist Dauner am 10. Januar in seiner Heimatstadt Stuttgart gestorben.

Weiterführende Links
Wolfgang Dauner

Text
Martin Laurentius
Foto
Lutz Voigtländer

Veröffentlicht am unter 132, Feature, Heft, News

Deutscher Jazzpreis 2024