Die Vibes von Villingen. Renaissance bei MPS
Einst waren sie das Mekka für Oscar Peterson, George Duke und die Singers Unlimited: Die MPS- Studios schrieben dank hochwertiger Aufnahmetechnik Jazzgeschichte mitten im Schwarzwald. Mit neuer Besetzung werden in den legendären Räumlichkeiten nach dem Tod von Gründervater Hans Georg Brunner-Schwer nun weitere Kapitel aufgeschlagen – nach wie vor im „most perfect sound“. Stefan Franzen hat in Villingen hinter die Kulissen geblickt.

„Die Tür ist offen!“ In der Gegensprechanlage dröhnt ein sattes Bassorgan, es gehört Friedhelm Schulz, neuer Geschäftsführer bei HGBS. Oben am Treppenansatz schüttelt der Mann mit der markanten Stimme die eiskalte Hand. An der Empfangstheke schenkt Matthias Brunner-Schwer, Sohn des Studiogründers wärmenden Kaffee aus. Heute herrscht hier geschäftiger Hochbetrieb, die Oriental Jazz-Combo Fis Füz um den Freiburger Perkussionisten Murat Coskun hat sich zu Sessions eingemietet. Und – ein Blick aus dem Fenster in den Hof verrät es – eine massige, bärtige Gestalt mit enormer Brille stapft auch schon übers Eis heran, dicke Atemwolken auspustend: der mediterrane Gast Gianluigi Trovesi.
Bauchige Lampen, Schalensitze in Retro-Braun

Der Sound als Kapital
Rekapitulation der letzten Jahre: 2004 starb MPS-Gründer Hans Georg Brunner-Schwer im Alter von 77 Jahren bei einem Verkehrsunfall. In den Jahren zuvor war es schon ruhiger um MPS geworden: Seit er die Rechte vieler Aufnahmen 1983 an Polygram verkauft hatte, betrieb der Nestor die Studios ausschließlich als Hobby, nahm nur noch Klassik-Produktionen auf, die ihm persönlich gefielen, dies schon unter seinem Initialkürzel HGBS Musikproduktion. Nach seinem Tod gab es eine komplette Auszeit, seit 2010 ist der Betrieb erneut angefahren worden. „Wir sind ja erst knapp zwei Jahre lang wieder am Start, und es ist wichtig, sich auf dem heutigen unübersichtlichen Markt mit einem Markenzeichen zu positionieren. Unser Kapital ist nach wie vor der unverwechselbare Sound“, bekräftigt Friedhelm Schulz in einer Aufnahmepause. Er wurde vom Sohn Matthias ins Boot geholt, um das Erbe kreativ und nachhaltig weiterzuführen. Den gelernten Journalist und Kaufmann hatten die Produktionen au dem Schwarzwald schon als junger Mann fasziniert. „Bei meinen ersten Jazzplatten war auch schon MPS dabei“, erinnert er sich. „Ich wusste, wo diese Firma sitzt, da muss auch kulturell was los sein!“
Bereits 1978 hatte er denn auch die Gelegenheit beim Schopf gepackt, mit einem konkreten beruflichen Angebot aus dem Norden ins quirlige Schwarzwaldstädtchen zu kommen. Seitdem unterhält er enge freundschaftliche Bande zur Familie. „Wir ergänzen uns optimal, obwohl wir zwei völlig unterschiedliche Charaktere sind“, nimmt Matthias Brunner-Schwer den Faden auf. Schulz als aktiver Programmgestalter des Jazzclubs Villingen und Vorsitzender des Jazzverbands Baden-Württemberg sei am Puls der Zeit, während er selbst die Kontakte zu den alten Künstlern wahre und genau wisse, wie der MPS-Sound zu klingen hat. Schließlich hat er dem Vater schon als Bub über die Schulter geguckt, wenn der am Mischpult saß. Bei den nächtlichen Hauskonzerten in der Familienvilla, einen Steinwurf von den Studios entfernt, war er selbstredend auch dabei. „Wie eine Droge war das damals, als Oscar Peterson 1963 das erste Mal nach Villingen kam“, erinnert er sich. Bis vier Uhr morgens lauschte er dem Pianogigant, um sieben ging es wieder in die Schule. „Die Beatles wollte ich von da an nicht mehr hören.“







