Preis fürs Lebenswerk: Siggi Loch
Siggi Loch & Nils LandgrenSeit 1981 zeichnet das amerikanische Downbeat Magazine unregelmäßig mit seinem „Lifetime Achievement Award“ Persönlichkeiten aus, die sich in unterschiedlichen Bereichen für den Jazz und die improvisierte Musik verdient gemacht haben – sei es in der Musikindustrie als Produzent/-innen oder als Veranstalter/-innen, in schulischen Einrichtungen als Pädagog/-innen oder in den Medien als Journalist/-innen und Publizist/-innen. Bisher konnten sich unter anderem John Hammond, George Wein, Rudy van Gelder, George Avakian, Bruce Lundvall oder Creed Taylor über diese Auszeichnung freuen. Die einzigen Frauen, die diesen Preis bekamen, waren Marian McPartland und Gretchen Valade. Nach Manfred Eicher 2010 ist dieses Jahr der ACT-Gründer und Produzent Siegfried „Siggi“ Loch als zweiter Deutscher mit dem „Downbeat Lifetime Achievement Award“ ausgezeichnet worden.
Als Loch 1992 sein Jazzlabel ACT Music startete, konnte er bereits auf eine lange und erfolgreiche Karriere im Musikbusiness blicken, die er 1960 als Vertreter bei der EMI Electrola begann und als Europa-Chef des Branchenriesen Warner Music beendete. Beruflich hatte er also alles erreicht. Er wollte aber nicht nur wichtig, sondern vor allem nützlich sein – und ist damals mit Anfang 50 ins kalte Wasser gesprungen und hat seine eigene Plattenfirma an den Start gebracht. Dabei hat er sich an die Zeit erinnert, als er mit Klaus Doldinger seinen ersten Künstler unter Vertrag genommen hatte, als Talentscout für den Jazzbereich der Plattenfirma Philips Ton. „Jazz Made In Germany“ hieß das Doldinger-Album – und an diesen programmatischen Titel hat sich Loch 30 Jahre später erinnert: ACT sollte Heimat sein für den Jazz aus Europa; nicht ausschließlich, aber hauptsächlich.
Und gleich mit der ersten Veröffentlichung, „Jazzpaña“, eingespielt mit der WDR Big Band unter der Leitung von Vince Mendoza und namhaften Gästen, setzte er ein Ausrufezeichen. Mit dabei war ein damals noch unbekannter Musiker aus Frankreich: Nguyên Lê. Diesen Gitarristen nahm Loch als ersten Künstler exklusiv für ACT unter Vertrag und veröffentlichte dessen „Million Waves“. 1994 lernte er auf der JazzBaltica Nils Landgren kennen. Der schwedische Posaunist verkörperte die Eigenschaften, die sich Loch für einen Musiker wünschte, mit dem er zusammenarbeiten wollte: ein Gespür für musikalische Trends und eine Nase für das, was das Publikum wünscht, ohne sich anzubiedern.
Landgren wurde nicht nur erfolgreichster ACT-Künstler, sondern auch so etwas wie die graue Eminenz – als Produzent, der nahe dran ist an dem, was musikalisch angesagt ist. Es war auch Landgren, der Loch auf die umtriebige und lebendige Musiker/-innencommunity Schwedens aufmerksam machte. Zudem stellte der Posaunist dem ACT-Chef den Pianisten seiner Band vor: Esbjörn Svensson. Loch erkannte das Potenzial, das in diesem ausdrucksstarken Pianisten und in dessen Trio e.s.t. steckte. Mit ihm hatte er einen Musiker an der Seite, mit dem er seine Labelphilosophie erfolgreich durchdeklinieren konnte: diesen zu begleiten und aufzubauen, für dessen CD-Veröffentlichungen Türen in weltweite Absatzmärkte zu öffnen und ihm ein Publikum zu erschließen, das nicht mehr nur dem Jazzzirkel angehörte.
Die operative Labelarbeit hat Loch 2015 an Andreas Brandis abgegeben. Dennoch spricht er auch heute noch von der ACT-Family, wenn er die Musiker/-innen meint, die exklusiv auf ACT veröffentlicht haben – allen voran Landgren und natürlich die Pianisten Michael Wollny und Joachim Kühn, deren österreichischer Instrumentalkollege David Helbock ebenso wie der Nürnberger Schlagzeuger Wolfgang Haffner, die beiden Franzosen Émile Parisien (Saxofon) und Vincent Peirani (Akkordeon) oder die vielen schwedischen Musiker/-innen wie Viktoria Tolstoy, Ida Sand, Rigmor Gustafsson und Lars Danielsson. All das wird das Downbeat gemeint haben, wenn es schreibt, dass der ACT-Gründer Europas Leidenschaft für den Jazz stets gefördert habe. Loch hat den „Downbeat Lifetime Achievement Award“ rund um seinen 85. Geburtstag am 6. August von Nils Landgren überreicht bekommen.
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ACT Music