George Kontomichalis

Eine coole Reise

George Kontomichalis hat die ihn prägende Zeit als Jazzmusiker und Saxofonist in Leipzig erlebt, geboren wurde er allerdings im griechischen Thessaloniki. Wie er von Griechenland nach Deutschland gekommen ist und warum Johannes Enders auf seinem Debütalbum „First Flight“ (Double Moon/Bertus) zu hören ist, hat er Rolf Thomas bei einem längeren Gespräch am Telefon erzählt.

George Kontomichalis – First Flight (Cover)

„Ich komme aus einer musikalischen Familie und habe schon früh begonnen, Querflöte zu spielen“, erzählt George Kontomichalis. „Mit 13 habe ich auf dem Saxofon angefangen. Meine Familie wollte, dass ich zunächst Klavier und Querflöte lerne, das Saxofon war dann meine Idee. Mein Lehrer hat mir ein paar CDs gegeben, die ich mir in den Ferien angehört habe, später habe ich mir auch selbst Platten gekauft: „Charlie Parker With Strings‘, John Coltrane, Sonny Rollins, Louis Armstrong. Das war eine coole Reise, und was das alles zu bedeuten hatte, habe ich nach und nach selbst herausgefunden.“

Doch zunächst blieb der Saxofonist der klassischen Musik erhalten. „Nach meinem Abitur habe ich eine Stelle an der Musikhochschule von Thessaloniki bekommen“, berichtet er. „Da ging es um klassische Musik. Ich habe aber auch eine Einladung an das Berklee College of Music erhalten, aber mir fehlte das Geld, um dorthin zu gehen. Als ich noch auf der Schule war, habe ich auch in einer Bläserklasse gespielt und Dinge wie Gehörbildung gelernt.“ Seine Liebe zum Jazz wurde zu einem zeitintensiven und kostspieligen Hobby.

„Ich wollte unbedingt Jazz lernen und bin jeden Samstag mit dem Zug nach Athen gefahren, da war ich immer zwölf Stunden unterwegs“, erinnert Kontomichalis sich. „Dort habe ich Jazzstunden bekommen. Da wir Verwandte in Deutschland haben, bin ich mit 22 Jahren nach Leipzig gegangen, wo ich Unterricht bei Johannes Enders hatte. Dafür habe ich meinen klassischen Abschluss sausen lassen.“ Bei Johannes Enders – der zwei Meter große Enders gilt als Deutschlands größter Saxofonist, den Kalauer kennt auch Kontomichalis – erlebte der junge Saxofonist seine Initialzündung in Sachen Jazz.“Bei Johannes war es richtig geil, und er hat mir genau das gezeigt, was ich lernen wollte“, freut sich Kontomichalis heute noch.

George Kontomichalis (Foto: Felix Ziebarth)

„Die Musiker aus der Band habe ich alle in Leipzig und Dresden kennengelernt. Die Ballade habe ich mit der Vorstellung im Kopf geschrieben, dass Sonja Sytnyk sie singt, also habe ich sie einfach gefragt. Den Schlagzeuger Sebastian Merk kannte ich aus Dresden, wo wir zwei, drei Jahre lang miteinander gespielt haben. Bassist Andreas Lang war mit Walt Weiskopf auf Tour, da haben wir uns kennengelernt. Pianist Tino Derado war eine Empfehlung von Sebastian und Andreas. Wir wollten die Aufnahme in Berlin machen und haben deshalb nach einem guten Pianisten von dort gesucht. So entstand meine Band, und als mir klar wurde, dass ich einige Songs mit einem zweiten Blasinstrument dabeihaben würde, habe ich sie Johannes geschickt und ihn gefragt, ob er jemanden empfehlen könnte. Er hat dann gesagt, dass er selbst gerne spielen würde.“

Auf dem Cover schreibt der Bandleader, dass das Album mehr als eine Ansammlung von Songs sei: Vielmehr sei es eine Reise, die das reichhaltige Erbe des Jazz mit modernen Spielarten und einer Menge Improvisation verbindet. Man erfährt aber auch einiges über die persönliche Reise von George Kontomichalis, die sich nicht nur an der Teilnahme seines langjährigen Mentors Johannes Enders an dem Album zeigt, sondern auch daran, bei wem der Bandleader schon alles Unterricht hatte. Neben Jim Snidero, Gilad Hekselman und Rosario Giuliani waren das etwa Till Brönner und Mark Turner. Ausgerechnet vom Trompeter Brönner erhielt Kontomichalis wichtige Impulse. „Bei Till Brönner hatte ich ein halbes Jahr Unterricht während der Coronazeit“, erzählt der Saxofonist. „Er hat mir gezeigt, wie man ein Solo strukturiert.“

Beim Saxofonisten Mark Turner ging es vor allem um Technik, aber auch darum, wie man alte Stile in die Gegenwart beamen kann – eine Lektion, die Kontomichalis besonders wichtig war. „Bei Mark Turner hatte ich eine Masterclass“, erinnert er sich. „Da ging es viel um Sound und technische Sachen – wie man einen alten Stil oder einen Blues auf moderne Art spielen kann, beispielsweise.“ Wie sehr das alles gefruchtet hat, kann man nun auf „First Flight“ nachhören. Und man versteht dann sehr schnell, dass das Album nicht nur für dessen Protagonisten tatsächlich eine Reise ist.

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Rolf Thomas
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Felix Ziebarth

Veröffentlicht am unter 161, Heft, Next Generation

Adèle Viret