Live Thing: Lonnie Holley

Lonnie HolleyLonnie HolleyIn den 1950er- und ’60er-Jahren stand Birmingham im Mittelpunt schwerer Konflikte. Bombenattentate des rassistischen Klu-Klux-Klans mit vielen getöteten und verletzten Afroamerikanern erschütterten diese Stadt in Alabama im Süden der USA und brachten ihr den zynischen Spitznamen „Bombingham“ ein. In diese dramatische Zeit wurde Lonnie Holley 1950 hineingeboren. Seine Kindheit und Jugend waren schwierig und geprägt von Schicksalsschlägen und Chaos. Es war dann die Kunst, mit der er als junger Erwachsener in Berührung kam, die ihn rettete und Hoffnung schöpfen ließ – und mit der er die schrecklichen Erlebnisse seiner Kindheit und Jugend verarbeiten konnte. Seit 1979 stellte Holley sein Leben in den Dienst der improvisierten Kreativität, zunächst in Form von Skulpturenbau, Malerei, Fotografie, Performance – und schließlich auch mittels Musik. Wer sich mit dieser auseinandersetzt, hört sofort: Holley gehört zu den Künstlern, die aus den ungewöhnlich harten Umständen und Kämpfen eine immense gestalterische Kraft schöpfen, sie mit ihrer großen Neugier verknüpfen und daraus etwas Einmaliges erschaffen.

Erst im Alter von 62 Jahren veröffentlichte Holley sein Plattendebüt, „Just Before Music“, dem er jetzt im Herbst das dritte Album, „Mith“ (Jagjaguwar/Cargo), folgen lässt. Holley ist ein Freigeist, ein kreativer Querkopf, der sich weder in seine bildende Kunst noch seine Musik hineinreden lässt. Dabei folgt er einem eigenen Konzept in Sachen Rhythmik und Tonalität, bricht zumeist mit der musikalischen Norm und Konvention. Natürlich fußt seine Musik auch auf dem Mittel der Improvisation und hat ihre Wurzeln tief in die afroamerikanische Tradition geschlagen – in den Blues, in den Gospel und Jazz, aber auch in Soul, Funk und HipHop. Jedenfalls kennt der 68-Jährige keine Kategorien, für ihn sind die verschiedenen Ausprägungen der afroamerikanischen Musik ein Fundus, um sein Schicksal künstlerisch zu beschreiben und kreativ zu verarbeiten – mit seiner gleichermaßen knorrig wie scharfen Stimme, mit einer ungewöhnlichen Instrumentierung und einem eigenwilligen Gespür für Rhythmik. Für vier Konzerte kommt Holley nun nach Deutschland: Am 3. ist er bei Überjazz in Hamburg, am 4. im Quasimodo in Berlin, am 5. im Studio 672 in Köln und am 6. November in der Roten Sonne in München zu hören.

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Lonnie Holley

Text
Martin Laurentius
Foto
Timothy Duffy

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