Anders Jormin

Ad Lucem

(ECM/Universal)

Anders Jormin - Ad LucemLatein, die Sprache der Götter. Aber auch eine tote Sprache, die angeblich nur noch von Lehrern, Juristen, Medizinern und Politikern beim Wichtigtun benutzt wird. Ist das wirklich so? Tempora mutantur et nos mutamur in illis. Zu Deutsch: Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen. Inzwischen entdecken sogar Jazzmusiker wie der schwedische Bassist Anders Jormin (Bobo Stenson, Charles Lloyd, Don Cherry, Jon Blake) die Würde und Magie des großen Latinums als veritables (sic!) Kommunikationsmittel für sich. Auf seinem dritten ECM-Album lässt er die beiden normalerweise in Popbands agierenden Sängerinnen Mariam Wallentin und Erika Angell (bis auf das englische „Vox Animare“) erhabene Weisen im lateinischen Duktus intonieren, unterwandert und umgarnt von kargen Improvisationsritualen des Free-Saxofonisten und Klarinettisten Fredrik Ljungkvist sowie Drummer Jon Fält. Dabei bildet sich eine Art temporärer Zwischenraum, der in seinen besten Momenten durchaus ein Gefühl für einen real existierenden Humanismus vermitteln kann und mitunter an die Kollaboration zwischen Jan Garbarek und dem Hilliard Ensemble erinnert. Auf „Ad Lucem“ schaffen betörende Vokalpartituren Räume, die die Instrumentalisten von innen her erkunden, behutsam, ehrfürchtig, mystisch. Mitnichten eine Montage zweier vermeintlich kompatibler Genres, sondern immer noch Jazz. Schon von der Geisteshaltung her.

Text
Reinhard Köchl
, Jazz thing 93

Veröffentlicht am unter Reviews

Deutscher Jazzpreis 2024