Bogotá entdeckt den Afrobeat

Der Sound des kolumbianischen Undergrounds

Kolumbien ist nach Brasilien das Land mit dem größten Anteil an schwarzer Bevölkerung. Die beginnt die eigene Kultur und die eigenen Rhythmen neu zu entdecken. Bands wie Choc Quib Town, Bomba Estéreo oder La Makina del Caribe stehen für einen neuen Sound aus Kolumbien. Der fusioniert traditionelle Rhythmen und Instrumente mit Electro, Dub, Rap und Co. und hat begonnen, den internationalen Markt zu erobern.

Centro Jaison in MedellínDas einfache Haus, welches sich förmlich in den Hügel der Comuna 13 krallt, fällt schon von Weitem auf. Es ist bunt gestrichen und verputzt – anders als viele der Nachbarhäuser in dem Armenviertel von Medellín. In dicken orange-gelben Lettern ist Son Batá an der Hauswand zu lesen und darunter – deutlich kleiner – die Worte „Mi Palenque“. Palenque hießen die Wehrdörfer entflohener Sklaven, und der Begriff ist in Kolumbien ein Synonym für Widerstand und Eigenständigkeit. Hier in der Comuna 13, dem Stadtteil, der als der gefährlichste von ganz Medellín gilt, haben sich eine Handvoll Jugendlicher ihr eigenes Palenque, ihr eigenes Wehrdorf, errichtet. Das ist in den panafrikanischen Farben Rot, Gelb, Grün und Schwarz angestrichen und besteht aus mehreren Räumen, in denen tagtäglich geprobt, unterrichtet und getrommelt wird.

Carlos Sánchez alias Nene„Seit sechs Jahren bieten wir den Kindern und Jugendlichen an, sich hier im Zentrum mit ihrer eigenen Kultur zu beschäftigen“, erklärt Carlos Sánchez alias „Nene“. Er gehört zu den Gründern von Son Batá und ist wie viele andere aus dem Viertel ein Zugewanderter. Seine Familie floh aus dem Chocó, einem Verwaltungsbezirk im Norden Kolumbiens, der an Panama grenzt, vor dem Bürgerkrieg nach Medellín. Das trifft auf viele Familien im Viertel Nuevos Conquistadores der Comuna 13 zu, und das ist auch ein Grund, weshalb die Musik von der Pazifikküste hier überaus populär ist. Congas, Tambores, Maracas und weitere Percussionsinstrumente von der Küste gehören deshalb genauso wie die Marimba zu den Instrumenten, die im Übungsraum von Son Batá stehen.

Aber auch Trompete, Posaune und Klarinette sind im Angebot, denn in dem Zentrum wird nicht nur Musik, Tanz und Kultur unterrichtet, sondern auch produziert. Mehrere Gruppen sind entstanden neben dem klassischen Sextett des Chocó, Chirimía genannt, mit dem die Kids anfangen. Die können ein paar Häuser weiter oben auch eigene Songs einspielen, denn da befindet sich das Studio von Son Batá. Heute sitzen John Jaime Sánchez und Freddy Asprilla im Studio und mischen ab. Die beiden gehören zu den Gründungsvätern von Son Batá und haben den Kontakt zu Bands wie Choc Quib Town oder Systema Solar aufgebaut.

Text
Henkel
Foto
Knut Henkel

Veröffentlicht am unter 89, Feature, Heft

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