„Hannover Olé!“

Lorenz HargassnerSo freute sich eine kleine, damals noch 18-jährige Abiturientin über ihr Weiterkommen in der ersten Runde der Castingshow „Unser Star für Oslo“. Weitere Erfolge sollten ihr noch beschert werden, aber schon da, ganz zu Anfang des kometenhaften Aufstiegs der Lena Meyer-Landrut, sprach sie schon nicht mehr nur von sich, sondern bereits für mehrere.

Ja, auch ich bin schon frühzeitig der Lena-Manie verfallen, ich gebe es zu, Asche auf mein Künstlerhaupt, der schnöde Kommerz, die „Pop“-Musik haben mich in ihren Fängen und nun sitze ich hier und schreibe sogar darüber. Warum? Weil mich nicht nur der atemberaubende Erfolg der Kleinen fasziniert, sondern auch, mit welch unbedarfter Frische und naiver Kühnheit die freche Schülerin ein beeindruckendes Pensum absolviert hat, nebenbei noch das Abitur, sozusagen.

Da ich nicht nur Musiker, sondern auch Instrumentallehrer bin und Spaß daran habe, meine Saxophon-Schüler bei ihrem musikalischen Werdegang zu begleiten, war ich eben gespannt, ob meine Favoritin des Vorentscheids auch beim Publikum, das den Sieger des Eurovision Song Contest küren sollte, gut ankäme. Und siehe da, die kleine Lena sollte es tatsächlich noch weit bringen!

Daher möchte ich, bevor im Zuge des beginnenden sportlichen Großereignisses spätestens ab dem Australien-Spiel wieder von „deutschen Tugenden“ geredet wird, einmal laut darüber nachdenken, welche Qualitäten bei diesem Wettstreit um das wählende Publikum zu einem solch außergewöhnlichen Erfolg geführt haben könnten. Nicht zuletzt, weil ich mir bei der Beobachtung eines solchen Phänomens auch Gedanken darüber mache, inwieweit sich derartige Vorgänge vielleicht auf neue Jazzmusik übertragen ließen!

Natürlich haben alle Beteiligten auch aus dem geschäftlichen Umfeld ihre Hausaufgaben gemacht. Einige Teilnehmer beschwerten sich unmittelbar nach dem Wettbewerb sogar darüber, dass nur ein reiches Land wie Deutschland mit seinem guten Zugang zu internationalen Vertriebswegen eine solche Chance hätte. Natürlich ist das ein gutes Umfeld für jeden Newcomer. Ob so etwas mal für einen Jazzmusiker mit ähnlich wenig Erfahrung möglich sein wird?

Die gelungene Vermarktung hat zwar sicherlich ihren Teil dazu beigetragen, dass Lena Meyer-Landrut die Herzen so vieler Menschen erobern konnte, darunter auch das meine (und das einiger anderer Jazzmusiker, die ich kenne). Aber letzten Endes, denke ich, war es sie selbst, ihre scheinbar unbekümmerte Art, mit der ganzen Situation umzugehen, und ihr Mut, zu sich selbst zu stehen. Das, was auch heute noch Millionen von Menschen überzeugt, ist Glaubwürdigkeit, Selbstvertrauen und eine Begeisterung für das, was man da macht.

So einfach, glaube ich, lässt sich die Formel für den Erfolg der jungen Dame aus Hannover zusammenstellen. Denn genau die Tatsache, dass man mit einer solchen Unbekümmertheit bei diesem Riesenspektakel gewinnen kann, dass sich Authentizität auch gegen aufgeblasene, aber inhaltsleere Bühnenshows durchsetzen kann, hat meiner Meinung nach so viele Menschen berührt. Wie beim Kampf von David gegen Goliath siegt der vermeintlich Schwächere, der auf die richtige Karte setzt. Wie bei der Legende von Robin Hood geht es um die Werte, die der Outlaw gegen das Establishment vertritt. Ein Archetypus der Unschuld des Menschen, der sich in der medialen scheinbaren Unschuld von Lena Meyer-Landrut wieder findet.

Einen solchen Effekt wird der Interpret von Jazzmusik vielleicht nur schwer auslösen können. Dafür ist der aktuelle Jazz, verglichen mit aktueller Popmusik, schon viel zu rebellisch, unorthodox und individuell. Aber gerade dabei muss es gelten, den Glauben an sich selbst zu bewahren, begeistert zu bleiben für die Musik und damit überzeugend in den eigenen (nicht nur) musikalischen Statements zu sein. In dieser Hinsicht, glaube ich, können wir jungen Jazzmusiker viel von dieser Lena lernen.

Veröffentlicht am unter Blog thing

Deutscher Jazzpreis 2024

6 Kommentare zu „„Hannover Olé!““

  1. Schön. :) Bin ja auch Instrumentalpädagogin… und hab mich ebenfalls auf meinem Blog von der ersten Stunde an als „Lena-Fan“ geoutet. ;)

  2. Jetzt sind alle Lena-Fans von der ersten Stunde an, iss ja luschtig(;-))
    Ich muss gestehen, ich bin spät dazu gestoßen zum Finale sozusagen-die Mischung aus sweeter Wesensart
    und Kinderlied, die macht’s!!! Ganz Deutschland ist verliebt in Lena das öffnet alle Herzen, auch die elitärer Jazzfreunde. Das schafft in Deutschland ansonsten nur König Fussball.

    Greetz Andi

  3. @aschwad Ich weiß nicht, ob das ALLE von sich behaupten können. ;) Ich fand sie sogar am Anfang besser, als sie noch ihr eigenes Ding gemacht hat- und hoffe sehr, daß sie das in Zukunft auch wieder tun wird.
    Ich bin ja zum Glück Bloggerin und habe deshalb Beweismaterial, daß ich nicht ALLE bin – und Lena wirklich schon vom ersten Auftritt an toll fand. Siehste:
    http://www.chitime.com/blog/?p=7304

  4. Hallo Chikatze,

    Nur Spass!!! Der Lena-Hype macht einen dann
    doch irgendwie fertig, obwohl sie wirklich supercool ist.
    Dass Sie ihren Titel verteidigen will iss dann wieder ein
    bisschen schwach aber wir von der Jazzpolizei sind eh
    immer ein bisschen miesepetrig. Auf jeden Fall ein Glücksfall
    für Deutschland und für die WM lässt sich ihr Winnersong
    vielfältig anpassen. Mein Favorit Schland, oh Schland

    Greetz Andi

  5. Achsooo… ;)
    Ja, mir tat es ehrlich gesagt auch weg zu sehen, wie sie in die Krallen der Medien geraten ist. Aber das war ja klar und nicht zu vermeiden.
    Denke aber, Stefan Raab passt so gut auf sie auf, wie er kann. Finde, er macht das ziemlich klasse- da kann man über ihn sagen was man will.

  6. hier habe ich nochmal ein paar nette gedanken zur kleinen lena gefunden – wer lust hat, mal diesen versuch einer analyse des gesellschaftlichen ursprungs der „lenamania“ nachzuvollziehen: voilà:

    http://www.lenameyerlandrut-fanclub.de/showpost.php?p=29235&postcount=1