Didis Musikzimmer

Pit HuberDoch, wir dürfen auch Popmusik hören. Diedrich Diederichsen, der Musikpapst der Feuilletons, hält das unter moralischem Gesichtspunkt nicht für grundsätzlich verwerflich. Allerdings erwartet er schon, dass wir uns auf die richtige Weise mit Popmusik beschäftigen: „voraussetzungsreich, komplex und, ja, geradezu verbissen ernst“. Was speziell mir jetzt ein wenig schwer fällt. Mir will es einfach nicht gelingen, „in angemessener Würdigung sowohl des künstlerischen Voraussetzungsreichtums wie dessen performativer und bildhafter Verdichtung zu Pop-Musik“ eine „qualifizierte soziale Rezeption“ vorzuführen. Ich würde ja gern, aber.
 
Immerhin: Auf dem Dogma seiner Unfehlbarkeit besteht Papst Didi nicht. Er räumt sogar ein, dass in der Diskografie seines Buches „Musikzimmer“, die rund 600 Alben empfiehlt oder zur „Erläuterung“ seiner Enzykliken anführt, auch Platten vergessen worden sein könnten. Das hat mich dann ungemein beruhigt. Denn ich konnte zwar 38 Alben von Cecil Taylor dort finden, 28 von Archie Shepp, 16 von Sven-Åke Johansson und je 12 von Alice Coltrane, Bobby Hutcherson und dem gewiss auch sehr erläuterungskräftigen Neil Young, aber kein einziges von Charlie Parker, Miles Davis, Eric Dolphy, Charles Mingus oder Sonny Rollins. Und die haben doch auch einen gewissen künstlerischen Voraussetzungsreichtum, oder?
 
Weil sich Diederichsen immer so verbissen ernste und herrlich schwere Gedanken über die performative Verdichtung macht, belohnt die Lektüre von „Musikzimmer“ den Leser allemal. Mich im Text „Anthropologie des Hundes“: Da erklärt uns der Autor die Entstehung aller Kultur anhand jaulender Huskies. Es ist nämlich so: Nicht das Bill-Evans-Trio hat die Rhythmusgruppe emanzipiert, sondern der kanadische Schlittenhund – nachprüfbar „im Free-Jazz-Mittelteil von Nummer 22″ auf dem Album „The Team Of Jeremy Roht“. Der Refrain des Tracks lautet: „Woff-Wuff-Didi-Wah!“
 
Pit Huber

Veröffentlicht am unter Blog thing

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2 Kommentare zu „Didis Musikzimmer“

  1. ..man kann sich das Leben auch schwer und vor allem kompliziert machen. Das Musik hören vor allem etwas mit Genuß und Gefühl zu tun hat, wird von DD wohl vergessen- oder er kennt solche Gefühle nicht, wer weiß?
    Das verhalten des Autoren ist sehr DEUTSCH. Solange im Kopf quirlen, bis der Spaß aufhört. U und E-Musik gibt es in den USA nicht- im Geburtsland des Jazz und der Pop-Musik. das erleichtert den Musikkonsum ungeheuer.
    Da oute ich mich auch gern: Klassik, Jazz, Pop, Schlager- alles kann gut sein, der Mix belebt die Sinne, ganz ohne verkrampfte Intellektualität. Einfach hören geht auch.

  2. Herrlich zusammengefasst. Einmal mehr ein selbstverliebt um seinen eigenen Intellekt kreisender Feuilletonist. Solche Wertungen sind einfach überflüssig. Ich frage mich ernsthaft, wer sich danach richtet. Es gibt kaum etwas subjektiveres als Musik und Kunst. Es ist doch gut, dass die Welt bunt ist. Soll sich doch jeder aus dem Bauchladen bedienen.