RIP: Joe Sample

Joe Sample ist am 12.9. gestorbenTom Glagow & Joe Sample

Am 12. September ist Joe Sample im Kreis seiner Familie gestorben. Mit ihm verliert die Musikwelt einen der innovativsten Musiker der vergangenen 50 Jahre. Von seinen Fans geliebt, wurde er immer wieder von den Kritikern bewusst übersehen. Für diese war er stets zu weich, zu smooth, zu poppig – oder hatte zu viel Soul und Funk in der ach so puristischen Zeit. Wenn man die Möglichkeit hatte, Joe Sample persönlich kennenzulernen, wurde man von seinem Charme, seinem Humor und seinen Storys sofort auf eine Reise in die Geschichte des Jazz mitgenommen. Er war nicht nur auf dem Klavier ein „Storyteller“. Vielmehr begegnete er jedem, der auch nur ein Autogramm haben wollte, mit Respekt; etwas, was er sich über Jahre hart erkämpfen musste. Er konnte spannende Geschichten über den Rassismus der 1950er- und ’60er-Jahre erzählen: über das fluchtartige Verlassen einer Bühne, nachdem sie von „Rednecks“ in der Bar bedroht worden waren, bevor sie auch nur einen Ton gespielt hatten. „Wir warfen unsere Instrumente aus dem Fenster und sprangen hinterher.“

Joe Sample gründete mit Wilton Felder (Saxofon) und Stix Hooper (Schlagzeug) schon während der Schulzeit die Band The Swingsters, später wurde daraus The Modern Jazz-Sextet. Bald kamen Wayne Henderson (Posaune), Henry Wilson (Bass) und Hubert Laws (Querflöte) dazu. Ende der 1950er gingen sie als Nighthawks von Houston, Texas, nach Los Angeles. Dort änderten Sie ihren Namen in Jazz Crusaders und veröffentlichten 1961 mit „Freedom Sounds“ ihr erstes Album. Ihre Mixtur aus Blues, R&B, Memphis-Soul und Bebop/Hardbop verschreckte die Kritiker, begeisterte aber einige Radiostationen. Die Art und Weise, Posaune und Saxofon zu einer Stimme zu vermischen, war neu und wurde ihr Markenzeichen. 18 Alben später strichen sie den „Jazz“ aus dem Namen und nannten sich von da an nur noch Crusaders.

Alle Bandmitglieder haben zu der Zeit schon als Sideman im Studio gearbeitet. Joe Sample wurde mit seiner Art, Piano oder Fender Rhodes zu spielen, auf unzähligen Alben eingeladen. So viele musikalische Meilensteine tragen seine Handschrift: Steely Dans „Aja“ und „Gaucho“, Marvin Gayes „What’s Going On“, Joni Mitchells „Court And Spark“ und „The Hissing Of Summer Lawns“, Tina Turners „Private Dancer“, B.B. Kings „Midnight Believer“ oder Canned Heats „Living „The Blues“. Nicole Kidman hat seinen Song „One Day I’ll Fly Away“ im Film „Moulin Rouge“ gesungen, den auch Kollege Keith Jarrett mit Charlie Haden für das Album „Jasmine“ aufgenommen hat. „Streetlife“ wurde von Quentin Tarantino in seinem Film „Jackie Brown“ eingesetzt.

Tom Glagow & Joe Sample, lachendTom Glagow & Joe SampleJoe Samples Alben mit Randy Crawford sind gefühlvolle, kleine Meisterwerke. Die Art und Weise, wie er Vokalisten begleitet, ist bis heute unerreicht. Er schleicht sich mit kleinen Melodien zwischen die Zeilen der Sängerinnen und Sänger. Zudem spielte er mit Miles Davis, Ella Fitzgerald, Tom Scott & The L.A. Express, Jackson 5, The Mamas & The Papas, B.B. King, Al Jarreau, Claus Ogerman, Michael Brecker, Joe Cocker, Ringo Starr, Barry White, Willie Nelson, Till Brönner oder Rod Stewart. Er schrieb Songs für Simply Red oder B.B. King und arrangierte für Buddy Rich. Er gilt als einer der am meisten gesampelten Komponisten. Sein Song „In All My Wildest Dreams“ vom Album „Rainbow Seeker“ wurde bei Tupac zu „Dear Mama“, De la Souls „WRMS’s Dedication To The Bitty“ und Arrested Developments „Africa’s Inside Me“ sind weitere Beispiele, wie beliebt Joe Sample auch im HipHop war. In den letzten Jahren hat er sich noch viele Träume verwirklicht, über die er lange vorher gerne erzählt hat. Seine Creole Joe Band mit Ray Parker Jr. und C.J. Chenier, die mit tanzbarer Partymusik im Zydeco-Stil jeden Club zum Tanzen brachte, seine Zusammenarbeit mit Nils Landgren und der NDR Bigband oder die Konzerte mit den reformierten Jazz Crusaders, für das sich Joe Sample und Wayne Henderson nach jahrelangen, gerichtlichen Außeinandersetzungen vertragen hatten. Bis zuletzt hat er mit Jonatha Brooke an seinem Musical „Quadron“ gearbeitet, das voraussichtlich im kommenden Jahr in Houston uraufgeführt wird.

Als die Nachricht von seinem Tod in den USA bekannt wurde, haben einige Radiostationen den ganzen Tag nur Musik von Joe Sample und den Crusaders gespielt. Auch in Deutschland gab es Nachrufe im Blätterwald. Vielleicht bekommt Joe Sample, wie so viele andere Künstler, erst nach seinem Tod den Respekt und die Anerkennung, für die er sein Leben lang so hart gekämpft hat. Joe Sample hinterlässt seine Frau Yolanda und seinen Sohn Nicklas, der seit Jahren am Bass sein Wegbegleiteter war.

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Tom Glagow
Foto
Steven Haberland

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Deutscher Jazzpreis 2024

1 Kommentar zu „RIP: Joe Sample“

  1. Nach George Duke – noch einer der Guten weniger. Diese Musiker,
    sind bzw. waren das Salz der Erde. Voller Soul, bescheiden, begnadete Storyteller. Musiker, die wissen, worauf es WIRKLICH ankommt; und gerade deswegen als Sidemen, Komponisten oder Producer enorm gefragt. Eines seiner größten Verdienste besteht darin, dass er uns in den letzten Jahren gezeigt hat, was für eine über alle Maßen großartige Sängerin Randy Crawford wirklich ist. Ich habe sie mit seinem Trio live erleben dürfen – unvergesslich.
    Zwei seiner größten Momente, meiner bescheidenen Meinung nach: Sein
    Piano-Solo auf ”Harry’s House/Centerpiece” von Joni Mitchell. Soulful,
    ökonomosch, songdienlich, kein Ton zu viel oder zu wenig; kann man nicht besser machen. Und seine Arbeit – vor allem am Rhodes – auf Micheal Franks’ Album ”The Art of Tea”. Man höre sich nur ”Jive” an – fantastico.
    R.I.P., Joe. We’re already missin’ you.