RIP: Charlie Haden

Ist am 11. Juli gestorben: Charlie HadenCharlie Haden

Das Flattern der Ekstase, die Wut von zarten Melodien geschützt. Selten zuvor ist der Widerspruch zwischen revolutionärer Attitüde und musikalischer Tradition so überzeugend gelöst worden wie im Werk des Bassisten Charlie Haden. Anfangs reichte als Lebensinhalt die Lust zum Risiko und Experiment. Haden hatte sein Studium abgebrochen und war nach Los Angeles gezogen, mit dem Pianisten Paul Bley spielte er regelmäßig im Hillcrest Club. Kurz darauf, 1959, nahmen Ornette Coleman, Don Cherry, Billy Higgins und Charlie Haden die Platte „The Shape Of Jazz To Come“ auf. Es folgten die Coleman-Revolution in New York, Drogenabhängigkeit, Gefängnis und Entziehungskuren. „Ich bin stolz darauf, dass ich Ornette Coleman traf und Teil dieser musikhistorisch bedeutenden Nachkriegsbewegung wurde. Einer der größten Momente meines Lebens war es, als ich später Pat Metheny mit Ornette Coleman zusammenbrachte und wir gemeinsam die Platte ‚Song X‘ aufnahmen, eine der besten Platten, die je gemacht wurden. Dieses einmalige Erlebnis, wenn die Noten verschwinden und alles Sound wird“, sagte Haden dem Autor im Interview.

Seine Karriere als Bandleader war von Anfang an mit sozialpolitischem Protest verbunden. Um Jazz gegen den Krieg in Vietnam, Verhaftung in Portugal, Musik gegen Armut, Rassismus und selbstgefällige Dummheit ging es bei Hadens erstem Liberation Music Orchestra (LMO) 1969. Auch die kubanische Revolution von 1959 kam zehn Jahre später durch das erste LMO im Jazz an. Ausgangspunkt war ein aus Kuba geschmuggeltes Tonband mit dem Song des kubanischen Volks- und Revolutionssängers Carlos Puebla, „Hasta Siempre“, einer Hommage an Che Guevara. Mit dem LMO wollte Haden eine explizit politische Botschaft befördern, die erste Platte dieses Orchesters beinhaltete auch eine Bearbeitung von „We Shall Overcome“, der Hymne des „Civil Rights Movement“.

Was mit einem geschmuggelten Tonband begann, führte sein LMO 1986 zum Jazzfestival nach Havanna. In einem heruntergekommenen Tonstudio des staatlichen Rundfunks machte Haden dort die ersten Aufnahmen mit dem damals 23-jährigen Pianisten Gonzalo Rubalcaba. Die Schönheit der Musik sei seine wirksamste Waffe gegen die Politik der Bush-Regierung, hat Haden immer wieder behauptet: Um etwas Schönheit in diese Welt zu bringen, spiele ein Jazzmusiker wie ein Guerillakämpfer aus dem Untergrund. „Es wird immer ein Kampf bleiben, diese Musik aufzunehmen und aufzuführen. Ich gehe davon aus, dass die Tea-Party-Anhänger keine Ahnung von schönen Melodien und komplexen Harmonien haben. Wir hingegen sprechen von schöner Musik, weil es Musiker gibt, die sich kümmern und ihr Leben der Hervorbringung neuer Klänge widmen. Dabei geht es um individuelle Entscheidungen und Zielsätze, um Musiker, die sich nicht mit dem Status Quo abfinden wollen, sondern ständig auf der Suche nach neuen Wegen sind. Eine Band revolutionärer Typen.“ Am 11. Juli ist Haden nach langer Krankheit im Alter von 76 Jahren gestorben. Text: Christian Broecking

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