Balance in vier Sprachen

Mayra Andrade

„Dieses Album ist persönlicher als meine vorherigen“, sagt Mayra Andrade. „Und ‚Lovely Difficult‘ ist der Name, den mir mein Ex-Freund gegeben hat, also dachte ich, der passt gut hierher.“

Mayra Andrade (Foto: Vanessa Filho)Mit ihren 29 Jahren legt die weltgewandte Kapverdin eine erstaunlich relaxte Selbsteinschätzung an den Tag. Diese Gelassenheit hat sich auch auf die Songs des vierten Werks übertragen: Flexibel wie nie zuvor schweift sie mit ihrer leicht angerauten Stimme durch insulare Traditionen, Chansoneskes, Poppiges, und ist dadurch viel mehr einem zeitgemäßen Songwritertum verpflichtet als die meisten ihrer musizierenden Landsleute.

„Ursprünglich kam die Basis vieler meiner Lieder von den afrikanischen Rhythmen Kapverdens, wie dem Funaná oder dem Batuko. Aber jetzt wollte ich etwas poppiger werden und von den Weltmusikrastern weggehen.“

Es fällt auf, dass Andrade gerade in den englischen Liedern eine fast schon aufreizende Nonchalance pflegt, in den rootsigeren Beiträgen jedoch eher sonnige Fruchtigkeit. Geplant?

„Ich singe auf Kriolu, Französich, Englisch und Portugiesisch, und abgesehen von der Sonorität der vier Sprachen, wecken sie in mir verschiedene Emotionen. Im Studio ging das sogar soweit, dass wir je nach Idiom die Mikros und die Pulteinstellungen ändern mussten, da sich mein Timbre veränderte. Je nach Fall entspringt das Gefühl den Eingeweiden, dem Herzen, dem Rachen oder dem Kopf.“

Diese reichhaltige Gefühlswelt macht die Reise auf „Lovely Difficult“ (Columbia/Sony), einem Songzyklus über die Facetten der Liebe, so unterhaltsam: Mario Lúcio, der Kulturminister der Kapverden, hat ihr eine federleichte Lobeshymne auf die Geburtsinsel Santiago geschrieben, im verschlurften Reggae „Les Mots D‘Amour“ geht es um die Schwierigkeit, Liebe zu gestehen, und im Hugh Coltman-Stück „96 Days“ offenbart sie eine Abgelebtheit, die auch einer 50-jährigen gut zu Gesicht und Stimme stünde. Zusammen ergibt das einen schlüssigen, polyglotten Spannungsbogen, mit, wie sie sagt, „schönen Perlen, die meine Schreiberfreunde extra für mich entworfen haben. Und einige hatten noch etwas in ihrer Schublade versteckt und mir freundlicherwiese anvertraut.“

Text
Stefan Franzen

Veröffentlicht am unter 103, Feature, Heft

Deutscher Jazzpreis 2024